Rose #20/2022
Was bin ich?
Gebärende? Patientin?
Oder doch viel eher Störfaktor? Hindernis?
Ich frage: Kann ich nicht in eine andere Position? Sie sagt nein.
Ich möchte nicht unbedingt in die Wanne gehen. Das Wasser wird eingelassen.
Ich gehe in die Wanne, schließlich liege ich so zumindest nicht mehr auf der Seite auf dem Tisch. "Ein Glück! Ich dachte schon, ich hätte das ganze Wasser umsonst eingelassen!"
Das Wasser ist mir zu warm, ich habe das Gefühl, mein Körper fährt runter. Aber die Temperatur "muss so sein". Also bleibe ich sitzen.
Das CTG beunruhigt sie. Also zurück auf den Tisch, auf die Seite legen, Bein abspreizen.
Ich soll zurück in Rückenlage. Nicht bequem, aber besser ist es allemal. Ohne Vorwarnung schiebt sie ihre Finger in mich und gibt mir keine Zeit, mich auf die Schmerzen einzustellen.
Ich schreie NEIN! Doch das ist egal. Sie sagt "Doch, wir machen das jetzt!" und macht weiter.
Danach muss ich zurück auf die Seite.
Ich sage, die Haltung bereitet mir Schmerzen. Doch das ist egal. Sie hält mich weiter darin fest, drückt mein Bein nach oben.
Ich frage: Darf ich? Sie sagt: In drei Wehen.
Doch das ist egal. Nach drei Wehen frage ich wieder, sie sagt nein.
Schließlich hat sie gewonnen. Selbst als sie weggeht, bleibe ich auf der Seite liegen.
Sie hängt etwas an den Tropfständer. Ich frage, was und warum das hingehängt wird. Sie sagt, sie schließt es noch nicht an, manchmal langt die Drohung, dass es da hängt.
Doch mit dem Zugang, den ich eigentlich nicht wollte, der "aber immer" gelegt wird, macht sie so-wieso, was sie will. Ich erfahre höchstens auf Nachfrage, was da in meine Adern läuft.
Als sie kurz weg ist, bitte ich die Auszubildende um ein Kissen, um Rücken und den Bauch abzustüt-zen, die von der Haltung schon lange zusätzlich krampfen. Wie gut es tut, auch wenn die Muskeln von der stundenlangen Anspannung gar nicht richtig entspannen. Sie kommt zurück, für das Kissen ist eine Rechtfertigung nötig.
Kurz darauf entnimmt ein Arzt meinem Kind Blut. Danach muss ich zurück in die Seitenlage. Das Kissen sehe ich nicht wieder, die Krämpfe setzen wieder ein.
Ich will keine PDA. Sie sagt, sie geht, um den Arzt dafür zu holen. Zusammen kommen sie wieder. Dass ich in den Wehenpausen mittlerweile Krämpfe in Rücken, seitlichem Bauch und Hüfte habe, die den Schmerzen der Wehen nahekommen, hat mich zermürbt. Ich weiß nicht mehr wirklich, was um mich herum passiert. Mittlerweile würde ich sogar die PDA nehmen. Sie kommt zurück, ich unter-schreibe unter Dauerwehen und Pressbedürfnis für den Kaiserschnitt. Denn von einer PDA war scheinbar im medizinischen Team gar nicht die Rede gewesen.
Mein Kind ist da. Ich hätte ihn gerne kurz gesehen, bevor er untersucht wird. Glücklicherweise dauert es nicht lange, da wird er mir gebracht und auf die Brust gelegt. Wie oft ich im Gefühlschaos der ers-ten Tage trotzdem dachte, er wäre in den Minuten ausgetauscht worden...
Mein Blutdruck geht in den Keller. Nachdem ich auf mein Zittern und das komische Gefühl aufmerk-sam mache, schnappt sie sich mein Kind und meinen Mann. "Wir gehen jetzt mal besser raus." Werde ich sterben?
Mein Kopf dröhnt, ich spüre meinen Puls in den Lippen, den Augen, den Fingern.
Werde ich sterben? Diesmal habe ich laut gefragt. So erfahre ich, dass das normal ist.
Mein Mann hat dieses Glück nicht. Er ist nicht mehr im Zimmer. Dass ich überleben werde und nie auch nur Gefahr bestand, erfährt er erst, als ich schließlich zu ihm ins Zimmer gerollt werde.