Rose #10/2022
Es ist Donnerstag. , errechneter ET.
Ich finde mich wie angeordnet im Kreißsaal ein. Nach der Untersuchung meint die diensthabende Ärztin, sie würde nicht einleiten. Nach Rücksprache mit der Oberärztin befindet diese aber am Telefon, ohne mich gesehen zu haben, dass eingeleitet werden soll. Ich bekomme also das erste Medikament. Es ist mittlerweile 14:00 Uhr. Es passiert nichts.
Freitag
Gegen 17 Uhr wird mir erneut ein Medikament gegeben, diesmal ein Gel. Danach habe ich leichte Wehen aber es tut sich letztlich nichts.
Samstag
Gegen 15 Uhr erhalte ich die doppelte Dosis des Gels – was ich aber erst aus dem Geburtsbericht erfahren werde. In einem kleinen Untersuchungsraum neben dem Schreibtisch der Schwester wird es mir verabreicht. Hier wird auch das CTG geschrieben. Ich habe Wehen, die auch immer stärker werden, soll aber nach zwei Stunden wieder zurück auf Station.
Auf dem Zimmer beginne ich nach einiger Zeit , die immer stärker werdenden Wehen zu veratmen. Auf mein Klingeln kommt eine Schwester und erklärt mir, sie seien nur zu zweit auf Station, der Kreißsaal ist voll, keine Hebamme hat Zeit, um nach mir zu schauen. ich solle noch ein bisschen warten.
Ich spüre, dass mir die Fruchtblase springt, ich bin immer noch allein auf dem Zimmer und habe große Angst, dass es jetzt schnell geht und ich dann allein bin. Ich klingele wieder nach einer Schwester; halb 10 sei Schichtwechsel, dann könne eine Hebamme mich holen, erklärt mir die Schwester. Erst auf mein vehementes Drängen, inzwischen unter Tränen, werde ich von einer der Schwestern nach unten in den Kreißsaal gebracht.
Im Vorbereitungsraum werde ich untersucht, ein CTG geschrieben. Die Wehen werden immer stärker. Mein Freund wird angerufen und ist gegen 22:00 Uhr da.
Zur Entspannung soll ich in die Wanne gehen. Danach wird es immer schlimmer. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Es ist noch kein Kreißsaal frei, wir sollen weiter im Vorbereitungsraum warten.
Dann endlich kann ich auf mein Bett und werde in den Kreißsaal geschoben. Die Wehen folgen dicht auf dicht und ich kann kaum Luft holen. Ich bitte um Schmerzmittel. Die Hebamme meint, es „klingt ja, als ob es bald los geht“. Niemand hat bemerkt, dass die extremen Wehen bereits Presswehen sind. Der Muttermund ist plötzlich auf 8cm. Die Wehen bringen mich fast um, ich kann nicht mehr, mein Körper will aufgeben, ich habe keine Kraft mehr - und das sage ich auch. Ich denke ans aufgeben und will einfach, dass es vorbei ist. Da heißt es seitens der Hebamme, ich muss jetzt aber, das Baby hat Stress. Ich habe plötzlich solche Angst. Was ist mit dem Kleinen? Ist er in Gefahr? Was geschieht hier? Ich merke den Schnitt, mir kündigt niemand etwas an. 23:52 Uhr. Der Kleine ist da. Während die Ärztin beginnt zu nähen, spüre ich jeden Stich. Es wird Schmerzmittel nachgegeben und trotzdem spüre ich es. Immer wieder kommt ein mir unbekannter, stark nach Rauch riechender Arzt herein und fragt die Ärztin, die immer noch näht, wie lange sie noch brauchen würde. Er hätte noch eine Sectio. Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller und niemand tut etwas, um uns in dieser intimen Situation zu schützen.
Als wir 2 Stunden später den Kreißsaal verlassen, zeigt mir die Hebamme noch die Spritze mit dem Schmerzmittel. „Das haben wir ja leider nicht mehr geschafft, wir hatten es schon aufgezogen.“ Erklärt wird mir dazu nichts. Erst nach Anforderung des Geburtsberichtes und Auswertung mit meiner Nachsorgehebamme erfahre ich, dass die Herztöne meines Sohnes schlechter wurden, die Geburt für ein Schmerzmittel dann schon zu weit vorangeschritten war. Im Geburtsbericht steht ebenfalls, ich sei über alle Schritte informiert worden und einverstanden gewesen. Was für eine Lüge. Ich hatte eine Sturzgeburt. Das höre ich im Wochenbett zuhause das erste Mal.
Wochen nach der Geburt habe ich die erste Panikattacke meines Lebens und kämpfe seither mit Ängsten und Panikgefühlen, die ich mit fachlicher Unterstützung versuche, wie in den Griff zu bekommen.
Bis heute kann ich nicht über die Geburt sprechen, ohne in Tränen auszubrechen. Bei einer späteren Untersuchung im Krankenhaus, musste ich am Kreissaal vorbei. Mir stockte der Atem und sofort kamen mir die Tränen. Mir wurde so viel genommen. Ich hoffe, eines Tages tut es nicht mehr so weh.